1. Weihnachtstag 2019
hOraGottesdienst
St. Matthäus 18 Uhr
Predigt über Titus 3, 4-7
Als aber die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, erschienen war machte er uns selig - nicht auf Grund von Werken in Gerechtigkeit, die wir getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit - durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung kraft des Heiligen Geist, den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland, damit wir, durch seine Gnade gerecht gesprochen, gemäß der Hoffnung, Erben des ewigen Lebens würden.
Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott, unserm Vater und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen
Unser Glaubensbekenntnis in einer Nußschale.
Mit der Luft einesTrompeters wäre in einem Atemzug zu sagen, waoran wir glauben.
Aus Freundlichkeit und Menschenliebe erscheint Gott als Jesus Christus, Heiland und Retter, der uns selig macht. Nichbt weil wir es verdient haben,sondern aus Barmherzig. durch Taufe und Heiligen Geist. Damit wir ewig leben.
Etwas fehlt.
Kein Kind, keine Krippe. Kein Kind in der Krippe.
Der Himmel liegt bei Titus nicht in der Krippe, Gott liegt nicht auf Stroh.
Seit der Heiligen Nacht ist die Verbindung von Gott und Stroh zentral.
Ganz Himmel, ganz Krippe, ganz Gott, ganz Mensch. Das gilt es zu bewahren, das gilt es nicht zu verfehlen.
Es gab Zeiten in unserer langen Geschichte, da war die Erde ein Jammertal. Das Stroh war ganz verbrannt. Wie das Gesicht des Mose, als er von der Begegnung mit Gott den Berg hinabstieg. Gottes Feuer loderte unter uns und verzehrte die Wirklichkeit.. Andere Religionen machen das gerade durch. Der Islam ist davon betroffen
Für uns steht die Krippe im Licht und das Stroh. Viel Kind, wenig Gott in der Krippe. Es wird viel leeres Stroh gedroschen.
Es ist zwar viel drin in der Krippe, nur Gott nicht. Jeder gibt jetzt hinein, was ihm gerade wichtig ist. Was ihm auf dem Herzen brennt. Was seine Seele quält und seine Hoff nung treibt. Was ihn freut und andere ärgert.
Wen haben Sie gestern Nacht in der Krippe gesehen?
Und wie: mit ganzen Hoffnung, oder nur skeptisch und von Ferne?
Die Frage ist natürlich nur halb ehrlich gemeint. Als Prediger will ich gar nicht, dass sie antworten, sondern ich bin geneigt, ihre Antworten selber zu geben.
Könnten Sie meinen und könnte ich versucht sein zu tun.
Tatsächlich geht es in der Predigt um etwas ganz anderes. Gestern im Predigttext Sacharja der Christmette war es deutlich gesagt. Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn. denn er hat sich aufgemacht von seiner Heiligen Stätte.
Der Prediger soll uns alle zum Schweigen bringen, dann werden wir von Gott das Wort empfangen.
Das Stillwerden vor Gott setzt allerdings viel Redseligkeit in Gang.
Was für unterschiedliche Botschaften hat die Krippe nicht schon gesehen.
- da turnte das göttliche Kind tatsächlich frühreif auf dem Schoß der Maria herum;weil es immer schon vollendet war
- dann wiederum leuchtet es wie sie Sonne still von innen heraus; das ewge Licht geht da heraus
- oder es greift, kaum geboren, schon entschlossen nach der Herrscherkrone, als der König der Welt
- bisweilen kann man an der Krone bereits die späteren Dornen erkennen; das Kind als unser Opferlamm
- dann wiederum spielt es mit einem Apfel, weil es als einziger Mensch durch einen Biss in denApfel nicht schuldig wird, wir sehen einen Menschen ohne Sünde.
Soviele verschiedene Kinder, so unterschiedliche Vorstellungen von Rettung, Erlösung und Seligkeit. Gott und Kind oft so redend miteinander verbunden, dass der Betrachter ganz still wurde.
Und heute?
Titus sagt "der Heiland macht uns selig": Selig? Ein Wort, das vom Leben zum Tod gewechselt ist. Wen Gott selig habe, der ist erloschen.
Wir übersetzen Seligkeit lieber mit Rettung. Das macht lebendig. Die Krippe füllt sich wieder.
Die Verheißung des ewigen Lebens, auf die unsere Hoffnung geht, ist ebenfalls der Schwachheit der Seligkeit ausgeliefert. Wir fragen stattdessen:
Gibt es ein Leben vor dem Tode?
Unsere Antworten liegen heute in der Krippe.
Das beginnt mit dem Herbergswirt. Wegen der großen Zahl der Flüchtlinge ist er in vielen Krippenspielen ein guter Wirt geworden, der niemanden mehr abweist. Dabei sind viele Christen auf der Flucht, die abgewiesen und getötet werden. Besonders in der muslimischen Welt, in der Gott lodert und das irdische Stroh verbrennt. Dazu schweigen wir Christen, während wir sonst immer viel zu sagen wissen. Das ist schwer erträglich und verdunkelt den Stall und das göttliche Kind.
Uns lässt man hingegen ein Flüchtlingskind sehen, erschöpft, ungewaschen, verletzt. Eine Ärztin ohne Grenzen ersetzt Joseph und Maria. Kein Leuchten geht vom Kinde aus, dann das Göttliche an ihm ist, dass es gerettet wurde.
Dann zeigt man uns ein fiebrige Klimakind, das entschlossen nach der Wetterfahne greift. Das Kind, der Retter ist da.
Bischöfe und Kirchenleitungen meinen, Greta in der Krippe gesehen zu haben. Bischof Koch erinnerten die Freitagsdemonstrationen an den Einzug Jesu in Jerusalem. Die schwedisch-lutherische Kirche sieht in Greta eine Nachfolgerin Jesu.
Bischof Wilmer von Hildesheim lobte Greta. Sie sei hellwach wie Jesus Christus.
Christus, der Klimaretter. Ist das jetzt ein noch kompakteres Glaubensbekenntnis als das unseres Predigttextes. Ja, es ist kurz weil verkürzt. Man redet von der Bewahrung der Schöpfung, aber nicht mehr vom Schöpfer des Himmels und der Erde
In unserem Glaubensbekenntnissprechen wir Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Dann habe schließen sich viele unter uns einerf es dann einer Bewegung an, die ihr Selbstbewußtsein daraus zieht, selber Urheber allen Klimaübels zu sein und dann dessen Erretter.
Dabei sind wir doch nur hilflose Teile der Weltgeschichte
Kommt uns die Gestalt Jesu denn näher, wenn wir ihm das Gesicht eines Flüchtlingskindes geben, oder das Gesicht Gretas? Gewinnt der verblasste Gott in der Krippe neues Kraft?
Wo ist unser fröhliches Herz, das singt und springt? Ist die Kraft Gottes in uns so schwach geworden, dass wir in Trübsinn versinken? Singen wir nur "Fröhlich soll meine Herze springen", weil man das schon lange so singt, unser Herz aber nicht?
Dass irgendetwas geschehen muss, um Gott und Krippe verbunden sein zu lassen, spüren wir wohl deutlich. Darum ist ja gerade so ein Tumult in der Krippe. So eine Herberge für jedermann.
Entweder ist das Kind uralt und gar kein Stroh da, oder im Stroh finden nur Kinder, die wir selber hinein gelegt haben.
Zum Beispiel in der Musik.
Kein Zweifel, das Christkind singt. Der Stall ist voll Musik. Sogar Ochs und Esel singen und Josef brummt. Wunderbar.
Aber: Musikalisch ist das göttliche Kind, das wir anbeten, ein Barockengel. Mit roten Pausbäckche und blonden Locken Es wippt mit übereinandergeschlagenen Beinen zur Musik. Die Musik der Engel, die es spielend umfliegen, ist uns gleichfalls vertraut. Denn unser musisches Christkind badet immer im selben Bach. Im Fluss der Bachschen Musik. um es genauer zu bestimmen.
Dieses Kind nimmt uns die Komposition von Kaspar Querfurth aus der Hand, oder besser, aus der Krippe. Lassen Sie es geschehen. Seien wir dankbar. Es ist zu unser aller Glück. Zu unser aller Seligkeit. Das Kind muss immer einmal wieder entführt werden, damit wir es wiederfinden. Das ist ein altes, und nie überholtes Spiel. Diebstahl erhöht den Wert der Dinge. Diebstahl weckt die Liebe wieder auf. Diebstahl ist göttlich. Die Weihnachtgeschichte bleibt die gleiche. Sie wird nur anders erzählt. Sie klingt nur anders, das Kind hat ein anderes Gesicht, schaut uns neu an.
Luther und seiner neuen Bibelübersetzung hatten seine Gegfner damals denselben Vorwurf gemacht. Du hast uns die Bibel gestohlen. Uns war der Bibeltext so vertraut, wir konnten ihn auswendig, wir wussten ihn im Schlaf.
Und da kommst du, Mann, und stiehlt uns die Bibel mit deiner Übersetzung, dass wir uns jetzt überhaupt nicht mehr zurechtfinden.
Entscheidend bei allem ist, dass uns das Kind nicht gestohlen bleibt Dass es uns schließlich egal ist, wer da in der Krippe liegt. Kind allein tuts freilich nicht, sondern das göttliche Wort, das hinzukommt: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Nehmt mich an.
Das Licht scheint in die Finsternis und die Finsternis hat es nicht ergriffen.
Das ist doch die Klage zu Weihnachten. Das Licht scheint und das Dunkle möchte im Dunkeln bleiben. Es nimmt die Gabe, aber ohne den Geber. Es ließe Weihnachten verstummen mit seiner Botschaft für uns: wahr Mensch und wahrer Gott, Kind und König zugleich, Herr und Knecht.
Gott und Mensch in der Krippe finden. Darum bitten wir am Tage der Weihnacht. Dass Jesus uns diese Einheit der ganzen Welt erkennen lassen möge.
Sehen Sie die Deckengemälde über Ihren Köpfen. Schauen Sie jetzt nicht hinauf, das schmerzt. Sie haben es bestimmt schon getan. Und vielleicht war Ihnen auch so fremd zu mute, wie mir. Zum Kirchenschiff hinaufschauend erwarten wir himmlische Szenen, Selige in Abrahams Schoß, Himmelfahrten von Jesus, Maria und Elias und zahllose Heilige. Aufgebrochene Himmel und den Thron Gottvaters aus der Perspektive der Irdischen. Vor die Stufen deines Thrones möchten wir geladen werden.
Auf den Bildern von Jens Bisky sehen wir nur uns selber. Wie wir planschen und baden. Manchmal sieht man eine schwache Andeutung einer eher spielerischen Kreuzigung. Eine Art turnerischer Kruzifixus. Aber nicht das, was wir erwartet hätten.
Sind sie enttäuscht? Das wäre gut.
Enttäuschung erweckt bekanntlich zu neuem Leben. Die größten Sprünge macht der Mensch in Sackgassen.
Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn,
Was die Klimarettung durch uns betrifft, glaube ich: Es ist sowieso zu spät. Da ist die Zeit der Stille angebrochen
Die Temperatur wird steigen, der Meeresspiegel steigt, es wird heiß werden drinnen und draußen.
Es brennt leichter und häufiger
Die Städte am Meer werden in die Berge ziehen müssen. Hamburg in den Harz, Bremen in den Teutoburger Wald.
Jeder für sich wird dafür sorgen müssen, dass die Sonne nicht mehr in sein Zimmer scheinen kann. Die Fassadendämmung darf nicht mehr so leicht abbrennen. Neue Technologien, bessere Abfallverwertung.
Viel zu tun, aber das ist es dann auch.
Und womit verbringen wir den Rest der Zeit, in der wir nicht mehr die Welt retten müssen? In dieser gewonnenen Zeit erzählen wir uns die Geschichten von Gott im Stroh.
Erzählen kommt aus dem Munde Gottes. Gott sprach und es wurde. Erzählen ist himmlisch, es überwindet den Tod. Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch und Geschichten verkünden aus alter Zeit.Was wir gehört haben und wissen und unsere Väter uns erzählt haben, das wollen wir nijcht verschweigen ihren Kindern; wir verkünden dem kommenden Geschlecht den Ruhm, des Herrn und seine Macht und seine Wunder, die er getan hat. Psalm 78.
Das ist die Seele einer jeden Religion. Die Gottesgeschichte. Die Erzählungen Gottes und unsere Erzählungen von Gott. Von den Juden haben wir das Erzählen bekommen. Sie ehren wir in jeder Erzählung von Gott. Religion ist nicht nur Bindung, sondern zuallerst ri-legere - wiederlesen und wiedererzählen.
Lasst uns erzählen von uns und anderen. Fragen wir andere nach ihren Erzählungen. Seien wir neugierig darauf, wen andere in der Krippe gesehen haben.
Ich schließe jetzt auch mit einer Erzählung. Mit der russischen Legende von dem vierten König von Edzard Schaper. Edzard Schaper stammte aus der Nähe von Posen, wuchs in Hannover auf, Führte ein unruhiges Leben, ging mit seiner späteren Frau, einer Litauerin, nach Reval. Floh als die Sowjets einfielen nach Finnland. Wurde dort von den Sowjets in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Später in Abwesenheit auch noch von den Nazis und floh nach Schweden. Er hatte die lettische, dann die finnische und schließlich die schwedische Staatsangehörigkeit angenommen. getreu dem Satz des Propheten Jeremia: Suchet der Stadt Bestes, so wird es auch euch wohlgehen, nahm er immer ganz Teil am Geschick des Landes, das ihn aufgenommen hatte.
Nun als Abschluss die Legende des vierten Königs.
Nach dieser Legende gab es nicht nur Caspar, Melchior und Balthazar, sondern noch einen vierten König. Es war ein kleiner russischer König. Er hatte auch den Stern gesehen und die Botschaft erhalten, dass der König der Welt geboren sei. Die Botschaft wurde also auch im kalten Norden vernommen.
Er nahm als Geschenk für den neuen König das Beste seines Landes mit: Leinen und Seide, Pelze, Perlen, Gold und schließlich einen großen Topf vom feinsten Honig. Alles lud er auf sein kleines Pferdchen Wanjka und schon ging es auf die lange Reise. Er traf bald auch auf die drei anderen Könige, fühlte sich aber klein und unbedeutend. Er wurde von den dreien auch so behandelt. In einem Akt von Prahlerei warf er ihnen seine kostbarsten Perlen vor die Füße, doch sie hoben nur träge ihre Schultern. Nach der ersten Nacht hatte er sie schon aus den Augen verloren. Denn eine junge Frau, die in dem einsamen Stall allein ihr Kind zur Welt gebracht hatte, hatte ihn gerührt. Er gab ihr von seinen Tüchern für das Kind und etwas Geld. Sie, in ihrer Armut, schenkte ihm ihr Herz. Was er beinahe überhörte. Am Morgen ritt er allein weiter.
Auf seinem langen Weg machte er viel Gutes und manches weniger Gute. Er traf Sklavenarbeiter, dessen Elend ihn anrührte. Er kaufte sie alle frei. Doch dann hatten sie weder Arbeit noch Essen und bedrängten den kleinen König, seinerseits ihr Herr zu werden. Das ging natürlich nicht. Er musste ja zur Geburt des Königs der Welt. So zog er fort, und sie gingen zurück zu ihren Sklavenhalter. Den Honig verlor er, als ein Schwarm Bienen über ihn und sein Pferdchen herfiel. Das Pferd starb an seinen Stichen und er ging zu Fuß weiter. Er schleppte sich bis zum Hafen von Tyrus. Dort traf er eine verzweifelte junge Mutter, die gerade ihren 13 jährigen Sohn als Galeerensklaven verlieren sollte. Da bot sich der vierte König an seiner Stelle an und trat dessen 30 jährige Strafe an.
Nach 30 Jahren auf der Ruderbank, vollkommen entkräftet, warf ihn der Kapitän just in dem Hafen wieder an Land, in dem er an Bord gegangen war. Ein junger Mann nahm ihn zu sich nach Hause und pflegte ihn gesund. Es war jenes frühere Kind, an dessen Stelle er auf die Ruderbank geschmiedet worden war.
Aber der kleine König hatte nicht vergessen, dass er aufgebrochen war, den König der Welt zu ehren. So ging er, akum genesen, fort und reihte sich in den anschwellenden Strom an, der sich in Richtung Jerusalem den Berg hinaufwälzte. Unterwegs traf er das Junge Mädchen, dem er die Seiden und Leinentücher geschenkt hatte. Sie erkannten sich noch, kurz bevor sie entkräftet zusammenbrach. Voller Erschütterung musste er erfahren, dass er dreißig Jahre Besitzer eines liebenden Herzens gewesen war. Sie wusste es, und es war ihr immer eine große4 Freude gewesen, ihr Herz in den güten Händen jenes Mannes zu wissen.
Von den Mitwandernden erfuhr er dann, dass an diesem Tage jemand gekreuzigt werden sollte, von dem es hieß, er sei der König der Welt.
So kam er gerade noch rechtzeitig zum Sterben unter dem Kreuz an.
Dieser Jesus war für ihn das Ja seines Lebens gewesen. Nie hatte er vergessen, dass er seinetwegen aufgebrochen war. Nun stand er vollkommen ermattet unter dem Kreuz. CVon allem, was er in Russland für den König eingepackt hatte, war gar nichts mehr da. Er war ein Bettler und schämte sich, dem König am Kreuz so gar nichts geben zu können. Da entsann er sich, dass er ja noch sein Herz hatte und das der Alten. Und so bat er Jesus: "Aber mein Herz, Herr, mein Herz.... und ihr Herz... Unsere Herzen, nimmst du sie an?"
Amen.