C.G.Jung WOTAN
Der Fußball ist einer der am weitesten verbreiteten religiösen Aberglauben unserer Zeit. Er ist heute das wirkliche Opium des Volkes." - Umberto Eco
"In dem Maße, wie der Aberglaube bei einem Volk abnimmt, muss die Regierung die+ Vorsichtsmaßnahmen steigern und die Zügel der Autorität und Ordnung straffer ziehen." - Antoine de Rivarol, Maximen und Reflexionen
„«Das Christentum zerteilte den germanischen Barbaren in seine untere und obere Hälfte, und so gelang es ihm – nämlich durch Verdrängung der dunklen Seite – die helle Seite zu domestizieren und für die Kultur geschickt zu machen. Die untere Hälfte aber harrt der Erlösung einer zweiten Domestikation. Bis dahin bleibt sie assoziiert mit den Resten der Vorzeit, mit dem kollektiven Unbewußten, was eine eigentümliche und steigende Belebung des kollektiven Unbewußten bedeuten muß. Je eher die unbedingte Autorität der christlichen Weltanschauung sich verliert, desto vernehmlicher wird sich die "blonde Bestie" in ihrem unterirdischen Gefängnis umdrehen und uns mit einem Ausbruch mit verheerenden Folgen bedrohen», was als «eine psychologische Revolution beim Einzelnen», wie auch als «soziales Phänomen auftreten» könne. Im Gegensatz dazu bestehe «dieses Problem für den Juden nicht. Er hat schon die antike Kultur und hat obendrein noch die Kultur seines Wirtsvolkes erworben. Er besitzt zwei Kulturen, so paradox das auch klingen mag. Er ist domestiziert in höherem Maße, aber in arger Verlegenheit um jenes Etwas im Menschen, das die Erde berührt, das der germanische Mensch in gefährlicher Konzentration in sich birgt.»“
– C. G. Jung Über das Unbewusste (1918).[134]
Joseph Roth war nirgendwo mehr zu Hause. Schon gar nicht in Deutschland. In einem Brief an Benno Reifenberg, (Journalist, Feuilletonchef der FAZ, nach dem Krieg Herausgeber)als er aus Paris nach Deutschland kam, liest sich das so: "Man spürt Deutschland sofort, und zwar ganz. Jede Straßenecke enthält das Übel des ganzen Landes. Es hat die hässlichsten Huren....(..) Die Männer sind alle Wandervögel auf der Promenade. Überhaupt im Sommer blonder als im Winter. Alles braungebrannt und sehr ungesund. Sehr viel Körper, sehr wenig Gesicht. Keine Röcke, Sporthemden. Gestern, der erste Tag war grauenhaft. Sofortige Senkung des Lebensgefühls, wie Quecksilber fallen kann, auf Null. Es ist das Gefühl, als hätte man kein Geschlechtsteil mehr, ganz aus. Wo Röcke sind, ganz zugeknöpft, schiefer Gang der Männer, wie von Vierfüßlern.
Warum C.G.Jung und warum Wotan?
Zu welchem Zweck bemühen wir beide in unserer Reihe Kainszeichen?
Ich erinnere mich gern an das Hans-Otto-Theater in Potsdam, dessen Regisseur den Roman Hiob- die Geschichte eines einfachen Mannes von Joseph Roth auf die Bühne brachte. Mit Blick auf den stark von der hebräischen Bibel durchdrungenen Text sagte er: Wir haben diesen Hiob ohne jeden religiösen Bezug inszeniert. Das geht wunderbar.
Eine Deutung ohne jeden religiösen Bezug hat ja andere kategoriale Bereiche, die Licht ins Dunkel bringen können: zum Beispiel die ökonomischen, politischen und psychologischen Bereiche, die uns helfen, das Handeln der Menschen rational zu durchleuchten.
C.G. Jung, der diese drei Faktoren benennt, zweifelt daran, dass diese in allen Fällen die wünschenswerte Aufklärung bringen. Ja, dass sie überhaupt ausreichen sind, bestimmte Phänomene ausreichend zu beschreiben.
Zum Beispiel sich einem aufstehenden und wie ein Sturm losbrechenden Volke zu nähern.
Dazu tat C.G.Jung der besagte Einheitsgott Wotan Wunderdienste. Er steckte ihn sozusagen in eine braune Uniform und verstand sofort, woher das Brausen, Rauschen, Toben, Zerstören, Zerreißen und Wüten beim Nachbarn Deutschland kam.
Zeitgleiche Lektüre, die umfassend über Wotan und seine Taten berichteten, verstärkten seinen Blick in diese Richtung. Besonders hervorheben will ich Martin Ninck - Wodan und germanischer Schicksalsglaube. 1935 zum erstenmal erschienen, der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft 1969 wieder aufgelegt und seither vollständig vergriffen. So sehr, dass mir mein Exemplar gestohlen wurde.
Die englische Übersetzung von 2010 ist mit diesen Sätzen eingeleitet: "With most remarkable flashes of insights into German psyche. As controversial as it may sound it is spot on even today, in 2010. As collective magma which needs to be mastered and brought to the alchemy of cultural creativity.
Mit höchst bemerkenswerten Einsichten in das Innere der deutschen Seele. Wie gegenläufig es auch klingen mag, es trifft auch noch die heutigen Situation von 2010. Als kollektives Magma, das beherrscht werden muss um zur Alchemie kultureller Kreativität gebracht zu werden.
2010 war das Jahr um die Auseinandersetzung mit Sarazins erstem Buch: Deutschland schafft sich ab. Berberich hatte zuvor schon viel plus und minus Aufmerksamkeit auf seine Lettere international gezogen, als er ein ausführliches Interview mit Sarazin abdruckte. Als Diskussionsanlass wollte das ilb eine Veranstaltung mit Sarazin im Haus der Kulturen der Welt veranstalten. Dessen Leiter sagte die Veranstaltung ohne mit Uli Schreiber darüber zu sprechen, ab. So einer kommt uns nicht ins Haus. Als ich mit dem gerade gekauften Band das Kaufhaus Dussmann verließ, fiel schon ein Passant über mich her und schrie: was, so etwas widerliches liest Du. Schmeiß das sofort weg.
Die Veranstaltung fand, nach heftigen Auseinandersetzungen unter den Mitarbeitern des ilb, in der Urania statt. Danach hat die Hälfte der Mitarbeiter nicht mehr mit mir gesprochen.