Leuchtet, denn ihr steht im Licht

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Leuchtet, denn ihr steht im Licht!

Gottesdienst in der Konkordienkirche Mannheim
Zum Abschluss der Ausstellung
‚Lichtgestalten’ von Katrin Hattenhauer

Sonntag, 29. Juli 2012

Leuchtet, denn ihr steht im Licht! – der Titel war als Provokation gedacht. Claudia Cornelsen, meine Dialogpartnerin und ich, hätten uns mit Überlegungen zum im Lichtstehen gegenseitig zum Leuchten provozieren wollen. Nun bittet Claudia Cornelsen, wie auch die Künstlerin Katrin Hattenhauer, die anwesende Gemeinde herzlich um Entschuldigung, dass sie heute diesen Dialog nicht führen kann.  Sie ist beruflich so eingespannt, dass sie gleichsam keine Sonne mehr sieht. Verständlicherweise kann sie unter diesen Umständen nichts übers Licht sagen.  
Ich hingegen bin Pensionär,  liege daher ständig in der Sonne, ohne allerdings jemanden in den Schatten zu stellen.

Zu unserem Titel:
Er versucht, die Bedeutung von „Im Licht stehen“ erheblich zu verschieben. Man bekommt gewöhnlich zu hören: „Kannst Du da mal bitte weg gehen, du stehst mir im Licht!“ Wir haben also die unsympathische Aufforderung „verschwinde“ durch die sehr viel freundlichere „leuchte“ ersetzt. Ob und warum das zulässig ist, soll sich nun herausstellen.

„erschwinde“ hat natürlich auch viel für sich: Die im Licht werfen bekanntlich viele und bisweilen lange Schatten, Dadurch stellen sie andere in den Schatten. Wer im Schatten steht, hat den Kampf ums Licht schon verloren oder er muss anfangen zu kämpfen. Zum Beispiel mit einem beherzten: „Geh mir aus der Sonne!“

Das ist nun unser eigentliches Thema: Die Menschen, die von geliehenem Licht leben. Das sind beinahe alle Menschen. Die übergroße Mehrheit sucht das Licht und möchte sich bescheinen lassen. Sie geraten in Notlagen, wenn sich andere vor sie ins Licht stellen. Dann werden sie kalt und blass.

Im Gegensatz zu jenen anderen ‚Lichtgestalten’, die aus sich selbst heraus leuchten.  Das können sie, weil sie entweder eine Sonne in sich tragen, oder weil sie sozusagen an ein funktionierendes Stromnetz angeschlossen sind: Gut vernetzt leuchten sie, dass wir für einen Augenblick die Sonne vergessen.

Gemeinsam wäre beiden Gruppen der Selbstleuchtenden, dass sie niemanden in den Schatten stellen. Sie leuchten im Gegenteil alle ihnen nahe kommenden an und tauchen sie in ein helles Licht. Erst die in der zweiten Reihe geraten dann wieder in den Schatten der vor ihnen Stehenden.

Wir ahnen vielleicht schon, dass es nicht angeht, bereits jeden, der gut vernetzt ist und dadurch ein gewisses Licht verbreitet, gleich für unsere Sonne zu halten. Hier ist Kritik und Mut gefordert, am besten jener Mut des Diogenes, der den Beinamen  „Der Hund“ trug. Er sah sogar in der Lichtgestalt Alexander des Großen nichts weiter als eine Verdunkelung der Sonne. ‚Du großes menschliche Licht, du bist die Ursache, dass ich im Schatten bin. Kannst du mal bitte etwas aus der Sonne gehen!’ Man könnte meinen, Diogenes habe da einen sehr heftigen aber weisen Satz gesagt. Mit dem Ausdruck ‚Du meine Sonne’ sollen wir im Umgang mit anderen Menschen sehr sparsam umgehen.

Das gilt natürlich nicht für die Liebe. Da geht von dem anderen ein Strahlen aus, dass man schier verbrennen möchte.

Nicht weniger heftig und von ähnlicher Kraft wie Diogenes in seiner Tonne redet Paulus zu uns:
Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Wenn nun die Welt von Euch gerichtet werden soll, seid ihr dann nicht gut genug, geringe Sachen zu richten? Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? Wie viel mehr über Dinge de täglichen Lebens.

Die Zumutung des Paulus an uns, über Engel zu richten, führt unweigerlich zu der Frage, woher wir denn das Vermögen, die Kraft, die Leuchtkraft haben sollen? Wer von uns würde sich das zutrauen? Aber Paulus meint offensichtlich, wir seien solche Lichtgestalten, dass wir sogar Engel in den Schatten stellen können.

Man könnte darüber blass werden.

Leuchtet, denn ihr steht im Licht!  - das ist zwar von uns, könnte aber auch von Paulus sein. Es verbindet sich mit dem Thema der Ausstellung, die mit diesem Sonntag zu Ende geht: LICHTGESTALTEN:
Das klingt gut, besonders weil es so zweideutig ist. Man stockt und stolpert und schaut sich um, was da gewesen ist. Alles, was zweideutige ist und  nicht eindeutig, ist lebendig und hat daher jetzt unsere Aufmerksamkeit verdient.

Bei der Demokratisierung der ersten Bedeutung von Lichtgestalten war ich selber dabei. Zu Beginn des Katholikentages in Mannheim, konnte jeder der Ausstellungsbesucher seine Gestalt, die ihm geleuchtet hatte, benennen. Google spukte sie ihm dann aus und er konnte sie hier an die Wände heften. Inzwischen hat sich die Zahl der Gestalten erheblich vermehrt, auch ein paar finstere sind dazu gekommen. Aber eben sehr viele, die Licht für einen oder viele auf dem Weg des Lebens waren. Wahre Leuchttürme der Orientierung sind darunter, Lichtschneisen im Dschungel des Alltags -  Licht, das in die Finsternis scheint. Lichtzeichen, damit wir nicht verloren gehen. Um mich ist es dunkel, aber du bist das Licht. Das reicht von bescheidener Verehrung bis zu großer Anbetung.

Von der zweiten Bedeutung nehme ich einmal an, dass  die Künstlerin gerade diese im Sinn hatte: Licht gestalten.
Ihre Frage könnte gewesen sein: Wie kann ich dem Licht eine Gestalt geben? Wie kann ich Licht formen, modellieren, ihm Farbe geben, es einfangen und festhalten? Licht einfangen – ist das vielleicht ähnlich herausfordernd wie Engel richten?

Wie auch fängt man Licht ein? Zum Beispiel, wenn man das Licht in eine Geschichte verwickelt.
Wie diese fröhlich bunte Lichtwolke hier vorne. Sie enthält die Geschichte eines Berliner Mietshauses und seiner Bewohner, die sich einem solch katzenhaft verstrittenen Zustand befanden, dass man es auch ein Miezhaus hätte nennen können. Die Künstlerin brachte sie über diesem Gemeinschaftswerk wieder zusammen, so dass am Ende das Licht nicht nur in dieser Wolke, sondern auch das ganze Miethaus in Berlin durchleuchtete. Inzwischen  ist es vielleicht wieder erloschen. Ewiges Licht gibt es recht selten und viel seltener, als manche meinen.

Die Lichtscheiderin Katrin Hattenhauer und die Lichtgestalten an den Wänden in ihrer Eigenschaft, Vorbilder unseres Lebens zu sein, sind beide gleichermaßen Gestalter des Lichtes, Verkörperungen des Lichtes…

Verkörperung des Lichts scheint mir dabei von zentraler Bedeutung zu sein, weil Licht als reines Licht ganz unerträglich wäre. Jeder, der schon einmal versucht hat, in die Sonne zu schauen, weiß danach, was möglich und was unmöglich ist. Und so wie wir den Umgang mit den Sonnenlicht lernen müssen, ohne Schaden zu nehmen, müssen wir auch den Umgang mit dem Licht lernen, dass uns auf unseren Wegen leitet.

Manchmal ergreift jemanden die Liebe so heftig, dass er fürchtet, in ihrer Hitze zu vergehen.

In den Religionen ist dieses Licht sehr oft Ausdruck und Zeichen göttlicher Macht, der sich der Mensch nicht ohne Schaden aussetzt.  Darum ist vom ersten Tag an der Schatten des gnädige Begleiter des Lichtes. Ohne Licht gäbe es keine Schatten. Der Schatten aber ist die lebensfreundliche Beigabe Gottes zum Licht. Lichtgestalten wären dann gleichsam Verschattungen des göttlichen Lichtes, die uns die Gegenwart Gottes erträglich machen. Denn jeder Körper wirft seinen Schatten auf das Licht und macht, dass uns das Licht leben lässt.

Die erste große biblische Erzählung darüber ist die Geschichte mit der Decke des Mose, die letzte große Erzählung ist die Geschichte Jesu, der von sich sagt: Ich bin das Licht der Welt. Ich bin das Licht der Welt, das mitten unter euch leuchtet, ohne dass ihr verbrennt.

Die Bibel zeigt Mose in dem Augenblick, da er zum zweiten Mal mit den Gesetzestafeln vom Sinai herunter kommt. Vierzig Tage und vierzig Nächte war er mit Gott zusammen. Nun hat sein Gesicht einen übernatürlichen Glanz. Der ist so stark, dass die anderen gar nicht hinschauen können und sich abwenden müssen. Um ihnen seine Gegenwart erträglich zu machen legt sich Mose eine Decke über das Gesicht, solange er mit ihnen zusammen ist. Geht er dann wieder in das Heiligtum Gottes, legt er die Decke wieder ab.

Dies ist die Geschichte einer misslungenen Verkörperung des Lichtes. Es war zu stark, um sich mit dem Gesicht des Mose zu verbinden. Sogar die Haut des Mose war zu schwach, das Licht aufzunehmen. Erst eine Decke konnte sein Brennen löschen.

Von Christus könnten wir mit Blick auf Mose sagen, er sei gleich mit einer Decke über dem Gesicht geboren. Er war die  Verkörperung des göttlichen Lichtes, das nicht verbrannte. Er brachte alle diejenigen, die ihn ansahen, zum Leuchten, ohne dass sie in seinem Licht vergingen. Er war das Licht der Welt und dessen Quelle, aus der die Menschen tranken ohne zu ertrinken. Er war derjenige, der keinen Schatten warf und darum niemanden in den Schatten stellte. Denn das Licht kam aus ihm selber, aber ohne dessen göttlich - verzehrende Gewalt. In ihm bekam das Licht eine menschliche Gestalt, die nicht tötet, sondern lebendig macht.

Und er stellt uns ins Licht und fordert und auf, leise und bescheiden, wie es meist seine Art ist: Leuchtet!
Amen.