- Israel Sonntag
- 24. August 2025
- Laurentius Kirche 09.30 Uhr
- Der Friede Gottes sei mit Euch allen.
- Amen.
- Liebe Gemeinde,
- Dies ist mein Predigttext. Ein Ausschnitt nur. Etwas willkürlich. Zettelkastenmentalität. Die Losung: Du hast mir Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit Deinen Missetaten Jes. Kap- 43, Vers 24.
- Spricht der Herr durch seinen Propheten zu seinem Volk Israel.
- Klingt da Erschöpfung aus seinen Worten. Unmut auch und Unwillen? Man weiß es nicht genau, man müsste mehr wissen und mehr lesen.
- Stimmt. Aber für den Augenblick muß es reichen.
- Sehr viele würden diesem Spruch Gottes unbesehen zustimmen, hätten sie nur eine Ahnung, dass es diese Stelle bei Jesaja gibt. Weil ihnen Israel gerade so immens viel Arbeit macht, wie seit 75 Jahren nicht. Und wie kein anderes Volk, wie niemand auf der Welt
- Inzwischen trifft es uns alle. Das macht viel Arbeit und Mühe und stürzt uns in Verwirrung. Kaum eine Freundschaft, und sei sie auch noch so alt, übersteht jetzt unbeschadet ein Gespräch über Israel. Mit dem Stichwort Israel kann man heute leicht seine gegenwährtigen Freundschaften völlig neu ordnen. Und man fragt sich anschließend: Was hattest Du eigentlich damals an dem Freund gefunden?
- Dazu reicht die Zeit nicht, denn das Thema Israel beansprucht unsere ganze Aufmerksamkeit. Man hat beinahe das Gefühl, sich schuldig zu machen, wenn man auch noch an andere Konflikte erinnert.
- Ein Gespräch über den Apfelbaum ist wie ein Verbrechen. Damals im Kampf gegen die Nazis.
- Noch ist es nicht so, aber Hinweiser auf andere Konflikte haben es schwer.
- Konflikte wie in Myanmar, oder im Sudan. Der Krieg der M23 gegen das Militär des Kongo, die US Amerikanischen Kriegsschiffe vor der venezolanischen Küste, die Gefangenen der Regime in der Türke, in Belarus, in Russland - die drohende Hungerkatastrophe in Afghanistan. Sie alle bleiben unterbelichtet solange es beim besten Willen nicht gelingt, die Ereignisse mit Israel in Verbindung zu bringen.
- Nicht einmal das Elend der Hamas, das sie anrichtet und das sie ist, erreicht die Aufmerksamkeit dieser Zeit. Man hakt inzwischen gekonnt den 7. Oktober als Verbrechen ab. Doch als weiterhin drohender Feind Israels erscheint die Hamas nicht mehr. Sie wurde Schritt für Schritt durch palästinensische Kinder und Frauen ersetzt.
- Schlimmer noch ist es für Israel selber. Das Leiden der Israelis dringt nicht durch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Auch nicht in das der unserer Kirche.
- Ich könnte weinen, nein ich kann weinen, darüber, und dies ist jetzt ein ganz subjektiver Eindruck, dass es den Verantwortlichen der Gottesdienste, die ich mit meiner Frau bisher besucht habe, nicht gelungen ist, Israel in ihre Fürbittengebete mit einzuschließen. Auch nicht auf unser inständiges Bitten hin.
- Israel ist heute in aller Munde, aber nicht das erschöpfte und das leidende Israel.
- Wir fragen uns immer wieder: Was hindert die Verantwortlichen der Gottesdienste daran, zum Beispiel um Frieden für den gefolterten Israeli zu bitten, in seinem finsteren Verlies 70 Meter unter der Erde, seit hunderten von Tagen ohne Licht, ohne Sonne, ohne Wind, ohne seine Freunde, ohne die Wellen des Meeres, und ohne die singenden Vögel in den Palmen. Ohne den Gesang des Kantors. Was ist so schwer, im Gebet auch für die israelischen Kinder zu bitten, die nur noch in Schuhen ins Bett gehen können, weil sie bei Alarm sonst nicht schnell genug im Bunker wären. Fürbitte halten für den gequälten Vater, der froh war, dass seine Tochter gleich getötet worden war, und nicht die Höllenqualen der Hamas und ihrer Helfer erleiden musste.
- Für die Kinder und Mütter in Gaza wird gebetet.
- Recht ist das. Wer wie Flugsand von hier nach dort geweht wird, keine Ruhe, keinen Frieden und keinen Schutz findet - was liegt einem näher als sie der Fürbitte Gottes zu befehlen.
- Aber dann kein Wort für die von 10 Tausend Raketen verängstigten Israeli, auf der Flucht vom Norden in den Süden.
- Fürbittenboykott.
- Statt Fürbitte gibt es Boykottaufrufe
- Zu einem Frieden der Hamas, die keinen will, soll Israel jetzt gezwungen werden , durch Waffenembargo, Boykotte und alle Arten der Verweigerung auf wissenschaftlichen, künstlerischen und religiösen Feld. Kampf den israelischen Restaurants.
- Was trotzdem für und mit Israel stattfindet, kann dies nur noch dank privater Sicherheitskräfte und der Polizei, die es beschützt. Vielen Dank an die Polizei hier in Spandau und Berlin und bundesweit.
- Und Tränen über uns, dass wir das jetzt schon als normal empfinden..
- Was ist los mit uns?
- Was ist los in unseren Kirchen?
- Ein befreundeter Pfarrer aus Württemberg schreibt, dort seien die Israelsonntage überhaupt abgeschafft
- Ich habe keinen Überblick über die Berliner Gottesdienste die gefeiert werden. Aber in denen, die ich mit meiner Frau zusammen besucht habe, gab es wohl Gedanken an die Sünden Israels, aber keinen Gedanken an den leidenden Gottesknecht und schon gar nicht an den siegreichen David, der den Goliath aus Gaza besiegte.
- Ich habe übrigens ein Foto von meiner Frau zusammen abdrucken lassen, weil wir beim Thema Israel ganz nahe beieinander gehen. Was gut ist für die Ehe. Wir können schweigend nebeneinander gehen, ohne ein Zerwürfnis zu fürchten, wie, wenn diese Anspielung einmal erlaubt ist, wie Abraham und Isaak, von denen es dreimal heißt „und gingen schweigend mit einander.“ Denn es war kein Mißtrauen zwischen ihnen, da Abraham Gott gehorsam war, sich aber nicht an Gottes Stelle setzte und von sich aus seinen Sohn opfern wollte.
- Sich nicht an die Stelle Gottes setzen: Das gilt auch bei diesem Vers unseres Predigttextes:
- Wenn Gott sagt, du hast mir Arbeit gemacht mit deinen Sünden, dann hat Israel Gott mit seinen Sünden Arbeit gemacht, aber es ist nicht unsere Arbeit.
- Sich an die Stelle Gottes zu setzen, ist die große Versuchung. Zumal für viele Gott eine Leerstelle ist, die aufgefüllt werden kann.
- Die Versuchung ist jedoch alt.
- In einem 5 bändigen Kommentar über alle Bücher Altes Testaments, so der Titel, von Johann George Starke um 1740 verfasst, schreibt er, in dem er unseren Vers paraphrasiert: „ Ja, vielmehr im Gegenteil, mir, dem Messias, deinem Heiland und Erlöser hast du, Israel, mein Volk, Arbeit gemacht, du hast mich dienend gemacht, dass ich wie ein elender Knecht habe dienen und arbeiten müssen in vielen Leiden, in dem Gefühl des ewigen Todes am Ölberge und am Creutze…“ (1747)
- Auch wenn kaum einer noch diesen Kommentar kennt, das ist Teil unsere theologische Herkunft.
- Ich vermute auch: So waren einmal unsere Israelsonntage.
- Gott, der sich klagend durch den Mund Jesajas an sein Volk wendet, wird zu Christus, den das Volk Israel ans Kreuz bringen wird.
- Die Strafe wird Israel ereilen. Sein Tempel wird zerstört und das Volk in alle Winde zerstreut.
- Er deutet aber doch gegen Gottes Pläne mit seinem Volk Israel.
- Zu Beginn hatte ich sagt: Erschöpfung klingt aus den Worten des Herrn? Auch Unmut auch Unwillen? Man weiß es nicht genau, müsste mehr wissen und mehr lesen.
- Tatsächlich heißt es unmittelbar auf unseren Vers von Gott: Ich, ich tilge deine Übertretung um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht.
- Diese Fortsetzung kann man als Leser nicht übersehen.
- Das ist völlig unmöglich.
- Das kann man nur übersehen wollen.
- Als Boykott des gnädigen Gottes Israels.
- Weil die Gnade hier nicht passt. Gnade gehört ins Neuen Testament, im Alten Testament herrscht das Gesetz. Darum kann Gott an dieser Stelle seinem Volk nicht gnädig sein wollen. Wo er doch eindeutig gesagt hat:
- Du hast mir Arbeit gemacht mit deiner Sünde und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten.
- Hat er das wirklich gesagt?
- Hat er wirklich Arbeit gesagt?
- Ich frage jetzt nicht, was da steht, sondern wie übersetzt wurde und wird. Und da gibt es diese Überraschung.
- In dem Sprachraum der Lutheranern hat er Arbeit gesagt, zu allen anderen etwas anderes.
- Nämlich zu den Franzosen, Engländern, Italienern, zu den Lateinern hat er gesagt: du hast mich belastet, du hast mich zum Sklaven gemacht, du hast mich wie einen Knecht behandelt, du hast mich belästigt.
- Nur zu den Lutheranern hat er Arbeit gesagt. Weil wir ein besonders inniges Verhältnis zur Arbeit hatten, zu unserer Arbeit, zur deutschen Arbeit eben. Die deutsche Arbeit war immer schon etwas besonders. Bete sagte Luther, als ob alles von Gott abhinge. Und wenn du dann gebetet hast, dann geh zur Arbeit, als ob alles von dir abhinge. W.H. Riehl, und Heinrich Lhotztky, beides Theologen, haben im 19. Jahrhundert die Rede von der deutschen Arbeit auf die Spitze getrieben.
- Das war einmal, zugegeben. Man soll es trotzdem nicht vergessen, daß uns einmal Arbeit als heilig galt. Beruf und Berufung gingen Hand in Hand, man wurde in seinen Beruf gerufen wie der Prophet hinter der Herde weg.
- Aber noch heute ist bei uns alles irgendwie Arbeit: Von der Kinderarbeit bis zur Freizeitarbeit.
- Ich arbeite also bin ich.
- Die vergangenen protestantischen Jahrhunderte verschaffte der Arbeit jenes Leuchten, in dem man zur Arbeit gehen konnte, wie in einen Gottesdienst. Die Gottesdienste in unseren Kirchen ähnelten in Folge eher Stops an einer Tankstelle. Wir füllten geistigen Kraftstoff nach um gestärkt in die Arbeitswoche zu starten: Zu Arbeit, Dienst am Andern, Verantwortung für die Welt.
- In der Arbeit lag Heilkraft, sie erquickte, erlöste, versöhnte, befreite, gab Ehre, war sittliche Tat, erfüllte Leben und reichte dem Gebet die Hand.
- Arbeit befreite von den Übeln der Welt, es erledigte sie, sie machte die Welt sauberer.
- Vielleicht lag in der Übersetzung mit Arbeit das Versprechen: Wo gearbeitet wird, wird ganze Arbeit gemacht.
- Wie bei uns, so bei Gott.
- So nimmt die Übersetzung Gott in unseren Dienst.
- War machen ihm nun Arbeit durch den Boykott des gnädigen Gottes, der er doch ist. Gerade hier.-
- Mit diesem Boykott erweisen wir gerade uns den schlechtesten Dienst. Denn wer brauchte seine Gnade nötiger als wir.
- Ich muß gestehen, dass mir der Schluß jetzt schwer wird. Es ginge, wenn er so lang ausfallen dürfte wie meine bisherige Predigt. Das ist aber untersagt. Dann würde ich mit der spezifisch deutschen Version von Arbeit macht frei, die den Juden zu einem nie da gewesenen Verhängnis wurde, fortfahren. Dass die deutschen Nazis in der vermessenen Überzeugung, Millionen Juden umzubringen und dabei anständig zu bleiben, wenn man die Vernichtungsarbeit nur korrekt durchführt, über ihren Todeslagern anbrachten.
- Eine solche Fortsetzung müßte jetzt sein. Aber ich fühle mich ihr nicht gewachsen.
- Daher schließe ich lieber so, indem ich mich auf Aktuelles, Harmloses beziehe. Vieles deutete darauf hin, dass unsere jüngsten Vorfahren nicht so traurig über die Zerstörung ihrer schönen Städte waren, sondern mehr über das Fehlen geeigneter Arbeitswerkzeuge, um das Zerstörte wieder aufzubauen. Immer wieder wurden Verbindungen gezogen zwischen der Aufbauarbeit und der Befreiung, an Auschwitz erinnert zu werden.
- Lange Zeit war das nicht möglich, Auschwitz zu vergessen. Es war noch nicht genügend Sühnearbeit geleistet.
- Aber jetzt scheint es so weit zu sein. Leben ist nun wichtiger als Arbeiten. Eine Balance zwischen beiden wird gefordert. Wer kann, richtet sich eine drei-Tage Woche ein.
- Es ist, als wäre jetzt der Augenblick gekommen, die eigene Schuld beiseite zu legen.
- Wir können uns von eigener Schuld befreit wieder der Schuld anderer zu wenden. Israel zum Beispiel.
- Israel hat uns mit Auschwitz am meisten Arbeit gemacht.
- Zvi Rix, der diesen unheimlichen Punkt mit seiner Prophezeiung gesetzt hatte Die Deutschen werden uns Juden Auschwitz nie verzeihen hätte jetzt vielleicht noch hinzugefügt Die Welt wird uns den 7. Oktober 2023 nicht verzeihen.
- Es scheint so, als habe sich die Welt insgesamt an die Arbeit gemacht, Israel wegen des 7. Oktobers zu verurteilen.
- Was bedeutet diese für uns Juden und Christen.
- Mehr miteinander tun.
- Miteinander singen, beten, tanzen, die Schrift lesen, ganz, nicht nur als Zettelkastens. Lassen wir uns nicht mehr die ganze Welt als Aufgabe aufbürden. Auch nicht von uns selber. Das ist gnadenlos. Denn in dem einen ist die lutherische Übersetzung doch bedenkenswert.
- Gott arbeitet für uns. Er arbeitet an unserer Befreiung. Er hat und befreit. Er befreit uns.
- Amen.